Künstliche Intelligenz: Soziales Change-Projekt für unternehmerischen Erfolg

Lange hat es gedauert, doch inzwischen ist die Angst vor der Cloud weitgehend gewichen – und sucht sich anscheinend neue Wege: Neues Lieblingsobjekt der „German Angst“ scheint Künstliche Intelligenz (KI) zu werden. Schenkt man den Kritikern Glauben, wird sie zunächst Arbeitsplätze vernichten und am Ende den Untergang der Welt bereiten. Immerhin treiben solche Stimmen die Befürworter neuer Technologien dazu an, auch argumentativ Höchstleistungen zu vollbringen. So entsteht ein wertvolles Gut – Diskurs. Wir werden ihn brauchen, um die KI gesellschaftlich zu etablieren.

Ein derzeit besonders gefragtes Beispiel für die Möglichkeiten von KI sind Chatbots. Wer sich mit dieser Technologie – und mit Machine Learning als Basis dafür – beschäftigt, weiß: Der Reifegrad der meisten Chatbots erlaubt es bereits, sie für spezielle Szenarien einzusetzen, etwa automatisierte Hilfestellungen bei Support-Anfragen rund um technische Geräte; auch im Retail-Bereich sind solche Bots vermehrt anzufinden, um den Kunden beim Kauf zu unterstützen. Bis zu einem eigenständig handelnden System wird es aber noch etwas dauern.

Dennoch ist es eine Tatsache, dass KI-basierte Bots bereits eine Vielzahl sinnvoller, werthaltiger Aktivitäten ausführen können. Avanades intelligenter „Curious Bot“ etwa ist in der Lage, Kontexte zu erfassen und aus früheren Dialogen mit Gesprächspartnern zu lernen – seine Fähigkeiten reichen so weit, sogar die Stimmung seines Gegenübers zu erkennen. Die Technologie ist also bereits recht fortgeschritten, hier leisten die Innovationstreiber gute Arbeit. Aufholbedarf besteht jedoch bisweilen dabei, Transparenz zu schaffen. Unternehmen, die KI verwenden wollen, müssen nicht nur Visionen und Innovationen entwickeln, sondern diese auch überzeugend präsentieren. Nur so entsteht Vertrauen.

Aktiv werden hilft

Das Beispiel der Mobilität zeigt sehr einprägsam, wie sehr Gefühle das Denken der Menschen beeinflussen. Noch im Juli 2017 stand im Wochenmagazin Die Zeit zu lesen, dass die Skepsis gegenüber dem autonomen Fahren überwiege. Demnach sei es für 61 Prozent der Befragten nicht vorstellbar, ein vollautomatisches Auto zu verwenden. Der Mensch vertraut der Maschine also nicht. Gleichzeitig hat er offenbar kein Problem damit, einem Autopiloten in zehn Kilometern Höhe sein Leben in die Hände zu legen. Unabhängig von den technischen Unterschieden und der Rationalität bleibt eine Tatsache bestehen: Die Überzeugungsarbeit war beim Autonomen Fahren zu dem Zeitpunkt, als der Text verfasst wurde, offenbar noch nicht erfolgreich genug.

Werfen wir den Blick auf Februar 2018: Eine Umfrage des BITKOM zeigt, dass sich eine deutliche Mehrheit von etwa 60 Prozent der Bürgerinnen und
Bürger in Deutschland den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Automobilbereich wünscht – und zwar, um autonomes Fahren zu ermöglichen. Ein Grund läge dieser Erhebung nach in mehr Sicherheit: Das Vermeiden von Unfällen war einer der ausschlaggebenden Gründe für die Entwicklung dieser Technologie, ebenso die automatisierte Warnung bei Unfallgefahren; beim letztgenannte Punkt liegt die KI-Zustimmung bei knapp 90 Prozent. Innerhalb von nur neun Monaten hat hier eine deutliche Trendwende bei der Zustimmungslage stattgefunden, und zwar im selben argumentativen Bereich.

Vom Bauchgefühl zur echten Information

Die starke mediale Präsenz des Themas im Mutterland des Automobils hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Einschätzung der Bürgerinnen und Bürger sich gewandelt hat. Natürlich hat die Automobilindustrie auch ein vitales ökonomisches Interesse daran, die Akzeptanz solcher KI-basierter Technologien zu erhöhen. Nicht zuletzt versetzen sich die Unternehmen durch diese Aufklärungsarbeit in die Lage, neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Denn wo das Auto als Statussymbol verliert, kann es womöglich nur als autonomer Zeitretter neue Daseinsberechtigung gewinnen – samt zugehöriger Mehrwertdienste.

An dieser Stelle kann der Automobilbranche unternehmerischer Vorbildcharakter für andere Branchen attestiert werden. Unternehmen dürfen nicht einfach nur top-down Technologien entwickeln. Auch umfassende Transparenz ist ein wichtiger Teil der Aufgabe, um den Markt vorzubereiten. Die Digitalisierung bietet extrem viele Möglichkeiten, die vielfach noch gar nicht erkannt und genutzt werden – wie soll das Vertrauen in der Gesellschaft wachsen, wenn dafür nicht aktiv gearbeitet wird?

Branchenübergreifend: Mensch mit Maschine

Dass diese Zuversicht noch häufig fehlt, zeigt eine Avanade-Studie aus dem Jahr 2017. Demnach sehen in Deutschland 53 Prozent der Befragten in der zunehmenden intelligenten Automatisierung eine Gefahrenstelle für Arbeitsplätze. Dem muss aber nicht so sein – denn es entsteht die Chance, Menschen andere, werthaltigere Tätigkeiten ausführen zu lassen. Gerade bei einem Blick auf den Fachkräftemangel ist es erforderlich, Mitarbeiter von administrativen Tätigkeiten zu entlasten.

Doch damit diese Vorteile Akzeptanz erfahren, müssen sie und die zugehörigen Tatsachen kommuniziert werden. Denn auch das zeigt die besagte Automatisierungs-Studie: Eine Vielzahl der Unternehmen, die auf intelligente Automatisierung setzten, hat ihre Belegschaft konstant gehalten oder gar ausgebaut.

Change-Projekte benötigen Change-Kommunikation

KI wird eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft spielen: Die Arbeitswelt der nahen Zukunft wird über gemischte Belegschaften verfügen, auch im Privatleben werden kleine und große elektronischen Helfer immer mehr zur Normalität. Was für Change-Projekte in Unternehmen gilt, das ist auch für einen soziokulturellen Wandel wichtig und richtig: Veränderungen dürfen nicht nur technologisch stattfinden, sie brauchen eine tiefgehende kommunikative Begleitung durch diejenigen, die ihn gestalten können. Unternehmen sind gut beraten, in einen seriösen Diskurs mit ihren Zielgruppen zu treten. Durch die Sicherung der Akzeptanz ihrer Produkte bahnen sie auch den Weg in ihre Zukunft.

Der Autor: Robert Gögele ist seit 1. Juni 2014 Geschäftsführer der Avanade Deutschland GmbH. Er verantwortet die Geschäftsentwicklung in den Bereichen digitale Dienste, BusinessLösungen und designorientierte Anwendungen. Digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation, Analytics und Machine Learning sowie Mobile, Cloud und das IoT bestimmen über das Gelingen heutiger Unternehmens-Strategien – die Transformation herkömmlicher zu digitalen Geschäftsmodellen ist Robert Gögele daher ein besonderes Anliegen.