Innovation – auf Vertrauen gebaut

Werteverbundenheit und Innovation – wie gut diese beiden nur scheinbaren Widersprüche zusammenpassen, zeigt sich gerade jetzt in Zeiten der Pandemie. Als traditionell stark auf die Kundenbeziehung in den Regionen ausgerichteter öffentlicher Versicherer und Teil der S-Finanzgruppe steht für die Versicherungskammer der Kontakt zum Kunden im Mittelpunkt aller Geschäftsabläufe. Daraus ist ein Kundenvertrauen erwachsen, das sich vielfach über mehrere Generationen weitervererbt.

Dieses Vertrauen zu bedienen, sprich: ungeachtet von COVID-19 unseren Kunden Service auf gewohnt hohem Niveau zu bieten, war uns allerdings in den vergangenen Monaten vor allem deshalb möglich, weil wir den Ausbau digitaler Lösungen bereits in den vergangenen Jahren entscheidend vorangetrieben haben.

Innovation als Teil der Unternehmenskultur

Technologie ist für uns als Versicherer seit den ersten EDV-Tagen ein wichtiger Produktionsfaktor. Mit dem Einsatz einer KI-basierten Korrespondenz-Analyse, die Unmut und Angebotswünsche erkennt, waren wir 2016 Vorreiter. Vor drei Jahren haben wir die datenbasierte analytische Prognose von Gebäudeschäden eingeführt, in Kooperation mit dem Münchner Startup Fairfleet setzen wir Drohnen zur Schadenbegutachtung ein. Lösungen dieser Art erproben wir kontinuierlich; die Innovationsbeschleuniger InsurTech Hub Munich mit der Startup Kooperation der Versicherungskammer, das Innovation Lab, unsere Data Academy und unser Direktversicherer stehen für gelebte Veränderungsbereitschaft.

Diese sind jedoch, das ist uns ausgesprochen wichtig, keine eigenständigen Biotope ohne Verbindungen in den Konzern. Stattdessen treiben sie gemeinsam mit den Fachbereichen konkrete Use Cases voran, zunächst als Forschungsprojekt von wenigen Wochen, dann sehr schnell in der praktischen Anwendung mit messbaren Zwischenergebnissen. Mit dieser Vorgehensweise wissen wir zum einen sehr schnell, ob eine Lösungsoption unsere Erwartungen erfüllt oder besser verworfen wird, zum anderen diffundieren Wissen und Methoden in die Fachbereiche.

Auf diese Weise konnten wir zum Beispiel vor wenigen Wochen unseren virtuellen Vertragsabschluss vorzeitig implementieren. Kunde und Berater können mittels interaktivem Co-Browsing Unterlagen und Unterschriften im Online-Gespräch bequem und direkt auf ihrem Computer, Smartphone oder Tablet teilen – eine Lösung wie gemacht für die aktuelle Situation. Und: Dass der Umzug nahezu der gesamten Belegschaft ins Home-Office im März diesen Jahres durch die IT buchstäblich über Nacht in die Wege geleitet – und dabei die Servicebereitschaft voll aufrecht erhalten werden konnte – zeugt vom Erfolg der frühzeitigen und tiefen Implementierung digitaler Transformation im gesamten Unternehmen.

Die Anwendung der Künstlichen Intelligenz, so unsere Überzeugung, wird in den kommenden Jahren noch stärker an Bedeutung gewinnen. Ein bereits implementiertes Beispiel ist unsere KI-basierte Anwendung StARS, die „Statistische Analyse & Rechnungs-Steuerung“, die beim Erkennen fehlerhaft gestellter Krankenhausrechnungen unterstützt und mit jedem neuen Fall dazulernt. Mit ihr vermeiden wir unnötige Einzelfallprüfungen korrekter Rechnungen und beschleunigen so die Erstattung.

Auch bei der Schadenregulierung kommen neue Technologien zum Einsatz. So haben wir 2019 einen leistungsfähigen KI-Prototyp zur Erkennung und Klassifizierung von Schäden anhand von Fotos entwickelt. Und mittels einer preisgekrönten Solaranlagenerkennung über Satellitenbilder können wir die Schutzbedarfe unserer Kunden erkennen und adressieren.

Mit dem Fraunhofer Institut IESE haben wir mit einer strategischen Kooperation – nah am Unternehmenskern als Versicherer der Regionen – ein Projekt zur Digitalisierung des ländlichen Raumes gestartet. Ziel ist es, Bürger in ländlichen Regionen über digitale Wege besser zu vernetzen und so neue Perspektiven für ein attraktives Leben auf dem Land zu schaffen.

Interne Kreativität, ergänzt um externe Impulse

Bei aller Kreativität und Bereitschaft zur Umsetzung des digitalen Wandels im Konzern Versicherungskammer, Impulse und Ideen von außen sind daneben von entscheidender Bedeutung. 2016 haben wir gemeinsam mit anderen Versicherern den InsurTech Hub Munich (ITHM) ins Leben gerufen und holen seitdem handverlesene Startups an den Innovationsstandort München. Gerade hat der ITHM sein fünftes Innovations-Programm abgeschlossen. Wir begleiten die Accelerator-Programme eng – mit Mentoren aus allen Fachbereichen.

Ganz anders als vielerorts zu lesen, haben wir übrigens den Eindruck, dass die StartupSzene – zumindest im Versicherungsumfeld – durch die Pandemie und ihre wirtschaftlichen
Auswirkungen noch gestärkt wird: Zahlreiche Gründer konnten mit ihren Lösungen einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen leisten; Venture  Capital-Firmen verkündeten in den vergangenen Wochen große Finanzierungsrunden. Die Bereitschaft zur Nutzung digitaler Technologien wird die Tech-Segmente zusätzlich voranbringen.

Ein starkes Wachstum ist dem Bereich E-Health vorauszusagen: Das im vergangenen Jahr von der Bundesregierung verabschiedete Digitale Versorgungsgesetz und die damit verbundene Digitalisierung des Gesundheitswesens haben durch Corona zusätzliche Bedeutung erfahren. Folgerichtig setzen wir mit dem InsurTech Hub Munich im Herbst diesen Jahres darauf einen Schwerpunkt: Das H+ Digital Health Innovation Programme bündelt die Kräfte und die Expertise des ITHM mit denen des dmac Digital Health Application Centers aus Erlangen / Nürnberg. Die beiden bayerischen Innovationszentren werden gemeinsam und interdisziplinär daran arbeiten, internationale Startups, Versicherer und Firmen aus dem Gesundheitssektor, aber auch Universitäten, Forschungseinrichtungen und Regierungsstellen zusammenzuführen.

Die Pandemie als Digitalisierungsbeschleuniger

Zusammenfassend ist festzustellen: Die Corona-Pandemie wirkt als starker Digitalisierungsbeschleuniger. Dass weder unsere Belegschaft noch unsere Kunden von diesem Effekt überrollt wurden, sondern sich im Gegenteil sehr schnell mit Hilfe digitaler Tools umgestellt haben, liegt daran, dass wir über lange Jahre ein gemeinsames Wertesystem aufgebaut haben. Ohne Vertrauen keine Innovation. Und gleichzeitig: Ohne Innovation bringen einem die schönsten Traditionen nichts, denn im „new normal“ wird nur bestehen, wer beides zu kombinieren weiß.

Die Autoren: 

Dr. Robert Heene ist Mitglied des Vorstands im Konzern Versicherungskammer und Vorsitzender des Beirats im InsurTech Hub Munich. 

 

 

Johannes Wagner ist  Leiter Start Up Cooperation im Konzern Versicherungskammer und Mitglied des Vorstands im InsurTech Hub Munich