Digitalisierungsboom in der privatwirtschaftlichen betrieblichen Altersversorgung

Die betriebliche Altersversorgung ist für alle Beteiligten verwaltungsintensiv. Viele Versicherer haben daher Projekte zur Digitalisierung der bAV gestartet, allerdings wird es noch ein paar Jahre dauern, bis die Branche digital zeitgemäß aufgestellt sein wird. Bis dahin können bAV-Portallösungen Digitalisierungslücken überbrücken.

Je komplexer ein Thema ist, desto schwieriger gestaltet sich die Digitalisierung von Prozessen. Insbesondere dann, wenn mehrere Stakeholder involviert sind. In der privatwirtschaftlichen betrieblichen Altersversorgung(bAV) gibt es in der Regel mit dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Vermittler und Versorgungsträger/Versicherer gleich vier Stakeholder mit durchaus unterschiedlichen Bedürfnissen.

Zusätzliche Verwaltungstätigkeiten für Human Resources (HR)

Aufgrund der Langfristigkeit einer bAV sind aus Sicht eines Arbeitgebers insbesondere auch die sich aus dem Arbeitsverhältnis heraus ergebenden zusätzlichen Verwaltungstätigkeiten für HR ein maßgebender Faktor für die Einführung und Ausgestaltung einer bAV. Bei innerbetrieblich abgebildeten Modellen ohne echten externen Versorgungsträger/Versicherer lässt sich mit Bordmitteln vieles optimieren und automatisieren, allerdings sind solche Modelle selten und primär in Großkonzernen zu finden.
Bei versicherungsförmigen Entgeltumwandlungen kommt mit dem Versicherer ein weiterer Akteur ins Spiel, an den Veränderungen im Bestand (z.B. Ausscheiden, Elternzeit,  Langzeiterkrankung) weitergegeben oder von dem Änderungen aufgenommen (z.B. bei  Dynamiken) werden müssen. Zusätzlich ist der Dokumenteneingang, wie Policen oder Standmitteilungen, sowie gegebenenfalls die entsprechenden Verteilung an die Arbeitnehmer zu organisieren. Ohne digitale Prozesse entstehen dem Arbeitgeber hier dauerhaft durchaus  relevante interne und/oder externe Kosten. Je nach Unternehmensgröße können schnell Kosten im sechsstelligen Bereich im Jahr auflaufen.

Digitale Affinität von Versicherern zunehmend ausschreibungsrelevant

Bei Neueinrichtungen oder Neuordnungen einer bAV ist neben den Kosten im Produkt daher auch auf die nicht produktgebundenen Kosten zu achten. Im Idealfall sollte ein Versicherer Schnittstellen zur digitalen Einlieferung von Vorgängen bereitstellen und Daten sowie  Dokumente ebenfalls via Schnittstelle an den Arbeitgeber zurückliefern können.
Solche Schnittstellen sind die Basis für personalisierte Arbeitgeber- und Arbeitnehmerportale mit Sicht auf Arbeitnehmer, Verträge und Dokumente sowie die Meldung von Veränderungen. Insofern sind nicht nur der Preis und die Leistungen des Versicherungsproduktes sondern zusätzlich die digitale Affinität von Versicherern zunehmend ausschreibungsrelevant.
Diese Erfordernis ist mittlerweile auch in der Versicherungsbranche angekommen und hat zu einer Vielzahl von Digitalisierungsprojekten geführt. Die Coronapandemie hat die Bemühungen der Versicherer dahingehend noch weiter forciert.
Am Ziel ist die Branche jedoch noch lange nicht, auch wenn einzelne Versicherer in Teilbereichen schon sehr weit sind. Drei bis vier Jahre wird die Branche wohl noch benötigen, um insgesamt digital zeitgemäß aufgestellt zu sein.

Portallösungen können Digitalisierungslücken überbrücken

Auch wenn Versicherer Schnittstellen bereitstellen, müssen diese erst z.B. an das HR-System  oder Firmenintranet angebunden werden, und zwar für jeden Versicherer extra. Für die  wenigsten Arbeitgeber ist das realisierbar. bAV-Portallösungen, die vom Versicherer oder  Vermittler bereitgestellt werden, können hier Abhilfe schaffen: Versicherer stellen vermehrt  ihren Kunden bAV-Portallösungen für HR und die einzelnen Arbeitnehmer bereit.
Der Datentransfer vom HR-System zum bAV-Portal und zurück ist dann einfacher mittels  Dateiaustausch als über die Anbindung von WebService-Schnittstellen realisierbar. Die  schnittstellenkonforme Datenübermittlung an das Versicherer-System übernimmt das Portal.  Ebenso die Visualisierung der Vertragsdaten, die Bereitstellung und Verteilung der vom Versicherer gelieferten Dokumente und die Meldung von Vorgängen.
Die Crux an der Sache ist: Sofern der bereitstellende Versicherer die Speicherung und  Servicierung von Verträgen anderer Versicherer nicht zulässt, kann nicht der gesamte Bestand in einem System verwaltet werden und HR ist für einen Teilbestand weiterhin auf manuelle Workarounds angewiesen. Bei bAV-Portallösungen, die von Vermittlern/Maklern bereitgestellt werden, stellt sich die Fremdvertragsproblematik in der Regel nicht und in den Portalen können alle Verträge dargestellt sowie durch HR und den einzelnen Arbeitnehmer darauf zugegriffen werden.
Solche bAV-Portallösungen können auch als Middleware fungieren und den Datentransfer zwischen dem HR-System und den jeweiligen Versicherer-Systemen faktisch normieren, indem sie die Daten für den jeweiligen Stakeholder in der jeweils verarbeitbaren Form aufbereiten und bereitstellen. Der tatsächliche Digitalisierungsgrad des jeweiligen Versicherers ist für den Arbeitgeber dann eigentlich bedeutungslos, da aufgrund der bAV-Portallösung für den Arbeitgeber alles digital bleibt. Ob ein Versicherer Daten, die vom bAV-Portal bereitgestellt werden, maschinell oder manuell verarbeitet und die geänderten Daten im Anschluss an das bAV-Portal zurückliefert, macht sich nur an den Bearbeitungszeiten und etwaigen „Tippfehlern“ bemerkbar. bAV-Portallösungen können daher Digitalisierungslücken überbrücken.
Fazit: Zeitgemäße Technik auf Seiten des Versorgungsträgers/Versicherers ist ein Entscheidungskriterium bei der Neueinrichtung oder Neuordnung einer bAV.

Der Autor: Stefan Huber ist Geschäftsführer der eVorsorge Systems GmbH.
eVorsorge ist auf die Entwicklung, Implementierung und Vermarktung von komplexen Anwendungs-, Beratungs- und Verwaltungssystemen für die Versicherungs- und Finanzindustrie im deutsch-sprachigen Raum spezialisiert. eVorsorge ist seit mehr als 20 Jahren in diesem Bereich tätig und war bis 2007 Teil des Lufthansa Konzerns. Im Kontext Employee Benefits stellt die eVorsorge neben Backendsystemen zur Verwaltung auch multilinguale Verwaltungs- und Serviceportale mit personalisierten Zugängen für Arbeitgeber- und  Arbeitnehmer zur Verfügung, die von vielen namhaften Versicherern, Maklern und Beratern eingesetzt werden. www.evorsorge.de