Digitalisierung ist People Business

Um Digitalisierungspotenziale voll auszuschöpfen, bedarf es eines intelligenten Ansatzes, der die Digitalisierung auf ein prozess- und systemübergreifendes Level hebt. Entscheidend ist die Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen, Technologieexperten und Entscheidern. Entschlossenheit und das richtige Mindset bilden dafür das Fundament. Am Beispiel des Digitalisierungsprogramms für das interne Service Center „GBS“ bei Deutsche Post DHL Group – Digitalization@GBS – werden diese Aspekte beleuchtet.

Vor Beginn jeglicher Digitalisierungsinitiativen ist die Prozess- und Systemlandschaft im Unternehmen zu verstehen und in einem Rahmenwerk zu dokumentieren. Hier sind alle existierenden Geschäftsprozesse erfasst und anhand bestimmter Kriterien (z.B. transaktionale und regelbasierte Natur; Verfügbarkeit, Qualität und Struktur der Daten; Intensität manueller Tätigkeiten) auf ihr Digitalisierungspotenzial initial zu bewerten. Dies dient als Ausgangsbasis für die konkrete Planung und Priorisierung. Je nach Größe des Unternehmens und Heterogenität der Prozesse kann diese Phase bis zu zwölf Monate in Anspruch nehmen.

Parallel zur Dokumentation der Prozesslandschaft ist eine einheitliche Methodologie für die Projektumsetzung zu definieren. Checklisten für kritische Projektmeilensteine, Templates für Berechnungen und Prozessdokumentationen, Standardpräsentationen, Schulungsunterlagen, Meetingstrukturen und einheitliche Projektmanagement-Tools (z.B. Azure DevOps, JIRA) erfordern einen nicht unerheblichen Erstellungsaufwand, zahlen sich aber in der späteren Projektumsetzung aus.

Um ein Maximum aus den Initiativen zu holen, ist es notwendig, dass ein kontinuierlicher Verbesserungsansatz bereits in die Methodik und im Mindset der Kollegen verankert ist. Die Methodologie sollte genügend Flexibilität aufweisen, um auf Unterschiede in den Initiativen reagieren zu können, aber genug Struktur, um eine schnelle Umsetzung zu gewährleisten.

Definition der Digitalisierungsroadmap

Sind die Grundvoraussetzungen erfüllt, wird die Roadmap erzeugt. Hierbei tendieren Entscheider dazu, die Initiativen, Laufzeiten und Ressourcen sowie Einsparpotenziale für das gesamte Jahr durchzuplanen und entsprechend im Budget zu verankern. Die Praxis bei Digitalization@GBS zeigte jedoch, dass kein unerheblicher Teil der Initiativen unerwartete Komplexitäten mit sich bringt, die in einer längeren Projektdauer bzw. erhöhtem Ressourcenbedarf resultieren. Eine hohe Mitarbeiterbelastung, Abmeldung bereits budgetierter Initiativen und verfehlte Ziele sind das Ergebnis.

Daher verfolgt Digitalization@GBS seit 2020 einen rollierenden Planungsansatz, der quartärlich die Roadmap definiert und Flexibilität in Laufzeit und Portfolio ermöglicht. Hierbei nominieren die Fachabteilungen Initiativen bereits sechs Monate vor dem gewünschten Start und werben um die limitierten Kapazitäten des Programms. In einem iterativen Ansatz zwischen Fachabteilungen und Digitalisierungsexperten werden die Ideen ausgearbeitet und bewertet sowie mit dem Topmanagement diskutiert und abgesegnet.

Digitalisierung ist People Business

Um eine Digitalisierungsstrategie erfolgreich zu etablieren, ist die bedingungslose Unterstützung aller Stakeholder, vor allem des Vorstandes, ein kritischer Erfolgsfaktor – insbesondere da den anfänglichen hohen Investitionen erst nach etwa ein bis zwei Jahren spürbare Veränderungen und Einsparungen gegenüberstehen.

Auf Ebene der Initiativen ist ein Dreiklang aus geeigneten Prozessen, passenden Technologien und den richtigen Mitarbeitern erfolgreich. Die nachhaltige Transformation zu automatisierten Prozessen und digitalen Lösungen funktioniert am besten, wenn sowohl das zentrale Programmteam gut ausgebildet ist, als auch die Fachseiten in ihre Mitarbeiter investieren sowie Digitalisierung und Veränderung als Kern ihrer Arbeit verstehen. Auch die Rekrutierung von externen Experten mit dem richtigen Mindset spielt eine entscheidende Rolle.

Erfolgreiche Initiativen bestehen aus interdisziplinären Teams mit Fachexperten, Projektmanagern, Prozessexperten und Entwicklern, welche die Lösung gemeinschaftlich in einem agilen Ansatz entwickeln.

Umsetzung der Digitalisierungsinitiativen

Maßgeblich für einen erfolgreichen Projektverlauf und die Einhaltung der geplanten Umsetzungsdauer ist eine gründliche Vorbereitung durch die Fachseite. Detaillierte Dokumentationen der IstProzesse sowie eine Quantifizierung des tatsächlich eingesetzten Personals sind das Grundgerüst für sämtliche inhaltliche Ausarbeitungen.

Die ausgewählten Prozesse werden optimiert und standardisiert, bevor ein digitaler Zielprozess definiert wird. Kernfragen dabei sind: Welche Prozessschritte werden optimiert? Welche Prozessschritte werden automatisiert oder digitalisiert? Welche Technologie kommt zum Einsatz? Hierbei werden Technologieexperten von Anfang an involviert, um die technische Komplexität und Machbarkeit der fachlichen Anforderungen zu bewerten.

Bei der technischen Umsetzung wird einem agilen Ansatz gefolgt und die Lösung in zweiwöchentlichen Sprints erarbeitet. Hierbei sind Entwicklung, Testphase und Hypercare ebenfalls möglichst einheitlich gestaltet und basieren auf vorher definierten Implementierungsstandards.

Mit einem 50 Personen starken Programmteam ist Digitalization@GBS in der Lage ca. 80 Initiativen pro Jahr ins Ziel zu bringen.

Ein zu großer Aufwand?

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sie den Eindruck gewonnen haben vor einer unlösbaren Mammutaufgabe zu stehen. Von der Schaffung der Grundvoraussetzungen bis zur erfolgreichen Implementierung stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen. Gerade am Anfang steht diesem hohen Aufwand ein geringer Gegenwert gegenüber. Wie können Unternehmen dies bewältigen?

Zunächst sollten Digitalisierungsprogramme über drei bis fünf Jahre aufgesetzt werden, um ausreichend Zeit für Planung, Vorbereitung und Durchführung der Initiativen zu gewähren. Weiterhin ist externe Unterstützung in der initialen Phase zu empfehlen, sei es bei der Definition des Prozessrahmenwerks, der Unterstützung der Fachbereiche bei Datenerhebung und Validierung, der Koordination oder beim Einbringen von Best Practices. Die wichtigsten Faktoren sind allerdings das richtige Mindset und die Entschlossenheit zur Veränderung hin in eine digitale Welt.

Die Autoren:
Xavi Esplugas, Senior Vice President Digitalization@GBS, leitet seit 2020 das Digitalisierungsteam bei Deutsche Post DHL, Global Business Services. Er ist seit 2012 bei Deutsche Post DHL Group und war zuletzt Chief Enterprise Architect bei DHL Supply Chain.

 

 

Halil Najjar verantwortet seit 2019 das Program Management Office bei Digitalization@GBS und steuert die Planung und Umsetzung der Digitalisierungsroadmap von Global Business Services. Bei Deutsche Post DHL Group ist er seit 2009.

 

 

 

Lena Besemann leitet seit 2019 ein Team aus Prozessanalysten bei Digitalization@GBS und hat maßgeblich den Aufbau der Methodologie im Programm verantwortet. Zu Deutsche Post DHL Group kam sie in 2016.