Digitale Transformation eines Gesundheitsunternehmens

Die Roche Diagnostics GmbH ist auf dem Weg, die Potenziale der digitalen Transformation zu erschließen. Damit einhergehen tiefgreifende Veränderungen über alle Bereiche und  Positionen hinweg. Insgesamt richtet sich der Veränderungsprozess an einer klaren digitalen Vision aus und stellt Patienten und Mitarbeitende in den Mittelpunkt.

Für uns als Gesundheitsunternehmen ist das oberste Ziel, Mehrwert für Patienten zu schaffen. Dazu gehört heute natürlich, das Potenzial von Daten und Datenanalytik zu nutzen. Wir können uns über die klassischen Felder hinaus entwickeln, weg von der One-Size-Fits-All-Versorgung, hin zur individualisierten Therapie. Zugleich sind wir in der Lage, zum Plattformanbieter zu werden.

Welches Potenzial damit verbunden ist, zeigt zum Beispiel die Plattform Floodlight, die die Sensoren in Smartphones nutzt, um Veränderungen der Motorik bei Multiple-Sklerose-Patienten zu ermitteln. Floodlight bietet medizinischen Fachkräften bessere Möglichkeiten zur Diagnose von Multiple Sklerose (MS), verbessert das Wissen über MS und deren individualisierte Therapie und unterstützt Patienten mit mehr Informationen. So wird die Diagnostik zum Vernetzer verschiedener Partner in der Gesundheitsversorgung.

Auf dem Weg zur individuellen Patientenversorgung

Mit der Digitalisierung ergeben sich neue Chancen,  und damit  verändert sich das Geschäftsmodell der Diagnostik. Es reicht nicht mehr nur, Testsubstanzen zu verkaufen. Player, die mit Decision Support für Ärzte und Patienten überzeugen, setzen sich durch. Das grundsätzliche Geschäftsmodell für die Pharmabranche ändert sich dabei nicht, es gibt immer noch Medikamente. Aber die Datenmengen z. B. aus Genomics ermöglichen, effizientere Forschung und Entwicklung zu betreiben. Das enorm gewachsene Verständnis von Erkrankungen ermöglicht individualisierte Patientenversorgung.

Das Navify Tumorboard beispielsweise ist ein cloudbasiertes Clinical Decision Support System für die Onkologie, womit Tumorkonferenzen besser vorbereitet, durchgeführt und dokumentiert werden. Für eine Fallbesprechung in der Klinik bleiben heute drei bis vier Minuten. Je besser die Konferenz vorbereitet und relevante Befunde zugänglich sind, desto fundierter die Therapieentscheidung.

Änderungen in Forschung, Produktion und Verkauf

Um die Digitalisierungsaktivitäten an den deutschen Standorten zu bündeln und über alle Geschäftsbereiche hinweg zu beschleunigen, hat Roche ein Digital Transformation Office (DTO) aufgebaut. Abgestimmt mit dem globalen DTO, werden cross-funktionale Pilotprojekte koordiniert und der Kulturwandel vorangetrieben. Initial wurde mit den Mitarbeitenden eine „digitale Vision“ beschrieben: Roche will durch vernetzte Produktionsstätten und innovative Nutzung ihrer Daten  personalisierte Medizinprodukte fertigen, die die Sicherheit und Qualität der Behandlung verbessern.

Um das Potenzial der digitalen Transformation zu erschließen, sind tiefgreifende Veränderungen in Forschung, Produktion und Verkauf erforderlich.

Bei der Forschung verwendet Roche vermehrt datenbasierte Hypothesengenerierung und deren virtuelle Überprüfung, um schneller und verlässlicher ans Ziel zu kommen.

In der Produktion sind wir dabei, die Digitale Fabrik zu realisieren – mit KI-gestützten, vollvernetzten Produktionsanlagen. Mit „Predictive Maintenance“ werden potenzielle Störungen vorhergesagt und durch Fernwartung Stillstände verringert.

Um Sicherheit und Integrität der Daten und der Kommunikation sicherzustellen, hat Datenschutz oberste Priorität. Durch kontinuierliche Risk Assessments, die auch den Risikofaktor Mensch im Auge haben, ist Roche gut für die Zukunft gewappnet.

Um den digitalen Ist- und Sollzustand ermitteln und vergleichen zu können, arbeitet Roche mit „digitalen KPIs“. Die „Digital Maturity“ gibt Orientierung, identifiziert Nachholbedarf und Arbeitsfelder, um die Ziele der digitalen Vision zu erreichen.

Mitarbeitende und Führungskräfte gewinnen

Neben allen technologischen Aspekten ist jedoch eines entscheidend: Die digitale Transformation kann nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, Mitarbeitende und Führungskräfte für diese Veränderung zu begeistern. Dazu brauchen wir eine Kultur, die Innovation fördert, Neugier weckt, Vertrauen in sich selbst und in die anderen schafft und horizontale Zusammenarbeit über organisatorische Grenzen belohnt.

Wir setzen darauf, alle Ebenen der Organisation anzusprechen, mit Informationen Ängste abzubauen und Lust darauf zu machen „das eigene digitale Ding zu drehen“; sich aktiv in die Transformation einzubringen. Konkret heißt das:

  •  Erklären und anfassbar machen! Buzz-Word KI: Mitarbeiter erklären in Zwei-Minuten-Videos, was KI ist und wie sie KI in ihrem Arbeitsalltag einsetzen. Alle Mitarbeiter haben Zugang zur Plattform der Digitalen Transformation bei  Roche, auf der man sich „aufschlauen“ kann, Unterstützung bekommt und sich vernetzt. Zur breiten Aktivierung bewähren sich Eventformate.
  • „Communities are key!“ Communities haben enormes Potential, funktionale Silos zu unterwandern und die Transformation zu beschleunigen. Unsere „Digital Ambassadors“ sind Freiwillige, denen der Wandel in ihrer Abteilung nicht schnell genug geht. Wir verbinden sie virtuell und bringen sie physisch einmal im Monat zusammen, machen sie fit und geben ihnen Tools an die Hand.
  • Orientierung geben! Die „Digital Academy“ wurde in Zusammenarbeit mit der Mannheim Business School entwickelt und gibt Führungskräften die Möglichkeit, sich intensiv das Handwerkszeug des Führens im digitalen Zeitalter anzueignen. Reverse Mentoring wird in diesem Zusammenhang gerne genutzt, wo Jung und Alt ganz neu zusammenfinden.
  • Neue Ideen ins Unternehmen lassen! Trotz elf Milliarden globalem Forschungsbudget findet die meiste Innovation außerhalb unserer Labore statt. Die enge Zusammenarbeit mit Startups erweitert Horizonte: Dazu betreiben wir in München einen eigenen Accelerator und kooperieren in Mannheim eng mit dem Digital Hub für Chemistry & Health.
  • „Digital is the new normal!“ Ende 2019 wurde das DTO planmäßig aufgelöst, denn: Die Digitale Transformation ist keine Projektaufgabe. Sie ist ein umfassender und tiefgreifender Wandel, der nur funktioniert, wenn er von der Breite der Organisation getragen wird. Darin haben wir Vertrauen und stärken so auch die Verantwortung der Bereiche für ihre eigene Digitale Transformation.

Große Aufmerksamkeit braucht hingegen noch einige Zeit das Thema Daten. Der Zugang zu, die Verwendbarkeit von und generell das Bewusstsein für die Bedeutung und den Wert von Daten müssen weiter verbessert werden. Dazu hat in diesem Jahr ein „Data Office“ die Arbeit aufgenommen, das hier klare Impulse setzt.

Die Autoren: 

Marco Jenzsch arbeitet seit 2006 bei Roche am Standort Penzberg. Er begann als Laborleiter im Bereich Pharma Biotech Operations, übernahm dann die Betriebs­ und später die Abteilungsleitung der therapeutischen Wirkstoffproduktion. 2016 wechselte er in die Diagnotika­Division und leitet seither die biotechnologische Einsatzstoffproduktion für invitro­diagnostische Tests. 

 

Henning Franke gründete Anfang 2017 das Digital Transformation Office der Roche Diagnostics GmbH. Zuvor hatte er bei Roche Führungsrollen in den Bereichen Finanzen, Logistik, Marketing, Vertrieb und Strategie  auf lokaler und  globaler Ebene inne.