Digitale Transformation braucht ein klares Zielbild

Die digitale Transformation ist das Thema schlechthin in nahezu allen Industrien und Sektoren und sorgt für Veränderungen auf den unterschiedlichsten Ebenen. Dabei sind neben den IT-Abteilungen besonders Unternehmensfunktionen wie HR, Finance, Controlling und Einkauf von den Änderungen betroffen und werden mit einer Vielzahl von neuartigen Tools und Lösungsansätzen „überschwemmt“. Häufig geraten dabei Fragen nach dem Zielbild der Digitalisierung, der Integration von Lösungen in die bestehende Landschaft und die Harmonisierung von Geschäftsprozessen in den Hintergrund.

Am Beispiel der Einkaufsfunktion lässt sich dies besonders gut nachvollziehen. Denn kaum eine andere Unternehmensfunktion hat sich in den letzten Jahren so gravierend verändert: Einst eine reine Bestellabteilung, ist der Einkauf heute zentraler Geschäftspartner für sämtliche Unternehmensbereiche – mit einer Fülle neuer Aufgaben und Themen. Als Unterstützungsfunktion bedient er wesentliche interne Schnittstellen wie etwa Logistik, Buchhaltung oder Controlling. Zudem muss der Einkauf heute erhöhten Anforderungen an Transparenz und Compliance genügen.

Die digitale Transformation bietet neue Möglichkeiten den gestiegenen Anforderungen zu begegnen, denn durch moderne Systeme und neuartige Vernetzung derselbigen können die Einkaufsprozesse deutlich effizienter gesteuert und überwacht werden. Damit profitieren Unternehmen beispielsweise von schnellerer Bestellabwicklung und standardisierten Abläufen, die zu einer Verringerung des manuellen Aufwands führen – messbare Zielgrößen für den Erfolg eines solchen Transformationsprojektes. Wesentlich für den Effizienzgrad eines solchen Einkaufssystems sind dabei unter anderem die einfache Handhabbarkeit der IT-Lösung und das „Bedienerlebnis“. Dies beschleunigt nicht nur die Prozesse, sondern fördert auch die Akzeptanz der Mitarbeiter: Wer am privaten PC auf einfache Weise online shoppen kann, möchte sich am Arbeitsplatz nicht durch komplexe Eingabemasken hangeln.

Unternehmen sollten daher prüfen, ob ihre Unternehmensfunktionen in Bezug auf die digitale Transformation adäquat aufgestellt sind. Dabei ist es zunächst ratsam den Reifegrad der Funktionen zu bestimmen, in dem Prozesse, Systeme, Daten, Organisation und Inhalte analysiert und bewertet werden. Auf Basis der sich daraus ableitenden Anforderungen kann evaluiert werden, wo neue Technologien sinnvoll unterstützen oder bestehende Systeme abgelöst werden können. Es gilt dabei auch abzuwägen, in welchen Schritten und mit welcher Geschwindigkeit die Digitalisierung der Prozesse voranschreiten sollen und wieviel Transformation die Organisation verträgt. Denn durch die enge Verzahnung zwischen Unternehmensbereichen ist die technologieunterstützte Transformation häufig komplex und erfordert eine intensive Zusammenarbeit verschiedener Funktionen über einen längeren Zeitraum. Cloud-basierte Software-as-a-Service-Lösungen verkürzen zwar die Implementierungsdauer, erfordern aber auch zumeist die Harmonisierung von Prozessen sowie die Standardisierung von Inhalten, um die Unternehmensspezifika mit den Prozessen der standardisierten Lösungen in Einklang zu bekommen. Wesentlich ist deshalb die Ausarbeitung eines Zielbilds, welches die wesentlichen Fragen beantwortet:

  • Welche Anforderungen bestehen für die Unternehmensfunktion und wie ist der bisherige Reifegrad?
  • Wo bestehen Optimierungspotenziale und mit welcher Priorität sollen diese realisiert werden?
  • Welche organisatorischen oder prozessualen Veränderungen kommen auf die Funktion zu?
  • Welche Systeme müssen ggf. zeitnah ersetzt werden (wenn z.B. der Support durch den Anbieter ausläuft)? Welche strategische Richtung gibt die IT-Abteilung vor? Welche technischen Anforderungen sind zu beachten und gibt es ggf. parallele Projekte?
  • Welche Technologien können unterstützen? Sind diese kurzfristige oder langfristige Lösungen? Was muss bei der Einführung beachtet werden und welche Aufwände stehen den Optimierungspotenzialen entgegen (Stichwort Business Case)?

Besonders die letzte Frage wird mit Hinblick auf die Vielzahl an technologischen Lösungen am Markt häufig nicht ausreichend beantwortet und viele Agenden sind bestückt mit einer Vielzahl an Buzzwords (Robotics, Cloud, KI, Data Lake, Chatbots etc.), welche mit unterschiedlichem Verständnis kontrovers diskutiert werden.

Wesentlich ist deshalb die klare Definition, Zielsetzung und Priorisierung der Digitalisierungsmaßnahmen, um die Transformation für das Unternehmen messbar zu machen und diese nachhaltig zu verankern. Denn nur mit einem klaren Zielbild können Unternehmen im Umfeld der Digitalisierung vermeiden, dass aus „the next big thing“ der „next big fail“ wird.

Der Autor: Stefan Löchner ist als Senior Manager in der Beratungssparte der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig und beschäftigt sich mit der Transformation und Digitalisierung von Einkaufsfunktionen. Dabei er unterstützt er mit seinem Team Unternehmen bei der Definition der IT Roadmap sowie der Auswahl und Implementierung von passenden Lösungen.