Betriebliche Altersversorgung – wichtiger denn je und nicht zwingend kompliziert

Die gesetzliche Rente reicht nicht aus, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Für den überwiegenden Teil der Bevölkerung wird es daher im Alter notwendig sein, auf weitere Einkommensquellen zurückgreifen zu können. Das ist den meisten Bürgerinnen und Bürgern zwischenzeitlich bewusst. Und diesbezüglich herrscht auch ein breiter Konsens über die politischen Parteien hinweg. Hier gibt es zwar unterschiedliche Vorstellungen über die konkrete Form und Ausgestaltung dieser additiven Größen. Eines ist jedoch klar: Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein wichtiger Puzzlestein im Altersversorgungsmosaik.

Mit dem sukzessiven Ausbau der steuerlichen Förderung und der Möglichkeiten der bAV seit dem Jahr 2001 durch den Gesetzgeber hat dieser sich klar zu diesem Puzzlestein bekannt. Und auch die Tarifvertragsparteien sehen dies offensichtlich so, denn immer öfter werden bAV-Modelle auf tarifvertraglicher Basis durchgeführt.
Doch wie kann eine bAV ausgestaltet und organisiert werden, damit sie das Unternehmen nicht unplanmäßig belastet und gleichzeitig für die Mitarbeitenden attraktiv ist?

Zahlreiche Möglichkeiten

In Deutschland bestehen drei bzw. – nimmt man die den Tarifvertragsparteien vorbehaltene  reine Beitragszusage dazu – vier grundsätzliche Möglichkeiten, eine Versorgungszusage zu formulieren: als Leistungszusage, beitragsorientierte Leistungszusage, Beitragszusage mit Mindestleistung und – wie gesagt – als reine Beitragszusage. Daneben existieren fünf Durchführungswege der bAV: Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse und Direktzusage – mit unterschiedlichen steuerlichen und bilanziellen Konsequenzen. Als abzusichernde Risiken der bAV gelten grundsätzlich Alter, Tod und/oder Invalidität. Bei der Ausgestaltung der jeweils fällig werdenden Leistungen haben die Unternehmen einen weit reichenden Spielraum.
Die Vielfalt der Möglichkeiten ist also nahezu unbegrenzt. Dies macht die Ausgestaltung einer bAV kompliziert – bedeutet aber auch, dass der Arbeitgeber die bAV so aufbauen kann, dass diese seinen finanziellen und bilanziellen Rahmenbedingungen sowie der eigenen HR-Politik weitestgehend entspricht. Dies heißt natürlich auch, dass Arbeitgeber bei der Einführung oder  Anpassung der bAV nicht leichtfertig vorgehen, sondern sich Durchführungsweg, Zusageart, Versorgungsträger und Inhalt der Zusage genau überlegen sollten. Ist der Plan erst einmal rechtswirksam eingerichtet, kann er nicht einfach wieder „storniert“ werden.

 

 

bAV muss einfach sein!

Keine bAV anzubieten, ist keine Option mehr. Da ist zum einen die gesellschaftspolitische Verpflichtung der Unternehmen, am Thema Altersversorgung positiv mitzuwirken. Zum anderen wird ein Unternehmen, das hier keine attraktive Lösung für seine Mitarbeitenden anbietet, spätestens mittelfristig Probleme haben, qualifiziertes Personal zu akquirieren und zu halten. Und zu guter Letzt gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung sowie die gesetzliche Verpflichtung seitens des Arbeitgebers, diese zu bezuschussen, soweit er im Zuge der Entgeltumwandlung Sozialabgaben einspart.
Doch auch unabhängig von gesetzlichen oder häufig auch tarifvertraglichen Vorgaben: bAV muss einfach sein!
Entgegen allen Unkenrufen: bAV kann einfach und ohne große Zusatzaufwände installiert werden, wenn man die Kernentscheidungen richtig trifft. Dabei hängt die konkrete Ausgestaltung natürlich immer auch von der Philosophie und der Kultur des Unternehmens ab. Dennoch kann festgehalten werden, dass betriebliche Versorgungssysteme mittlerweile meist als beitragsorientierte Leistungszusagen organsiert sind. Hierbei sagt der Arbeitgeber den Mitarbeitenden einen regelmäßigen Aufwand – in der Regel in Abhängigkeit vom Gehalt – zu, der in die bAV investiert wird. Hinzu kommen arbeitnehmerfinanzierte Beträge, die von dem  oder der Einzelnen durch die Reduzierung des auszuzahlenden Gehaltes finanziert und häufig vom Arbeitgeber gesondert bezuschusst werden.
Für die Investition der sich so ergebenden Beträge gibt es verschiedene Möglichkeiten. So können Beiträge in eine Lebensversicherung gezahlt oder auf dem Kapitalmarkt investiert  werden – oder auch im Unternehmen verbleiben und von diesem beispielsweise für Investitionen genutzt werden. Die späteren Versorgungsleistungen ergeben sich dann aus den  angesammelten Beiträgen sowie den hierauf erzielten Zinsen. Im Fall einer unternehmensinternen Finanzierung ist hierfür eine geeignete Kenngröße auf Basis der Unternehmensrendite zu definieren. Für eine externe Deckung stehen zahlreiche Player zur Verfügung: Lebensversicherer, ggf. auch in Kombination mit einer Unterstützungskasse, Pensionskassen, Pensionsfonds und Investmentgesellschaften.
Der Versorgungsanspruch der Mitarbeiter richtet sich bei Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds und Unterstützungskassen gegen den gewählten Dienstleister.  Erteilt das Unternehmen dagegen eine Direktzusage, bleibt das Unternehmen hieraus auch dann
unmittelbar verpflichtet, wenn es die versprochenen Versorgungsleistungen über eine  Lebensversicherung oder eine Direktanlage auf dem Kapitalmarkt refinanziert.
In jedem Fall kommt der externen Anlage der zugesagten Beiträge erhebliche Bedeutung zu. Dabei geht es natürlich um Chancen und Risiken der Kapitalanlage, aber immer mehr auch um deren Nachhaltigkeit. Und: Wie der Begriff „beitragsorientierte Leistungszusage“ bereits andeutet, darf die Leistung nicht allein von Beiträgen und Verzinsung abhängen, sondern muss ein echtes Leistungselement enthalten. Dies wird i.d.R. derart gestaltet, dass der Arbeitgeber eine Mindestleistung garantiert. Diese kann durch eine garantierte Verzinsung, die durchaus auch null Prozent betragen kann, oder durch die Garantie einer (kapitalisierten) Leistung in Höhe von beispielsweise 90 Prozent der zugesagten Beiträge definiert werden. Damit kommt der Sicherheit der Kapitalanlage eine besondere Bedeutung zu, denn bleibt der Kapitalanlageerfolg hinter der garantierten Mindestleistung zurück, muss der Arbeitgeber einspringen.
Vor diesem Hintergrund kommt der sorgfältigen Auswahl des Dienstleisters – also der Versicherungsgesellschaft, des Pensionsfonds, der Investmentgesellschaft usw. – und dessen Produkt eine besondere Bedeutung zu. Aber dies ist nicht alles. Zahlreiche weitere Aspekte sind  zu bedenken, von denen wir im Folgenden nur einige wenige kurz anreißen können:

  • Flexibilität. Natürlich ist es attraktiv, den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen innerhalb der bAV Wahlmöglichkeiten anzubieten. Beispielsweise benötigt nicht jeder eine  Hinterbliebenenabsicherung. Andererseits: Weniger ist oft mehr. Denn umso mehr Optionen man zwischen Tarifen und abzusichernden Risiken bietet, desto aufwendiger ist die bAV in der Verwaltung im Unternehmen und desto langwieriger gestalten sich auch die Entscheidungen der Mitarbeitenden.
  • Langlebigkeit und Rentenanpassung. Wir werden immer älter. So schön dies für den einzelnen Menschen ist, so teuer kann es für die Versorgungsträger und damit auch die Arbeitgeber  werden. Daher werden in der bAV immer häufiger Kapital- oder zeitlich begrenzte Ratenzahlungen zugesagt. Sofern Renten gezahlt werden, müssen diese regelmäßig angepasst werden. Hier erlaubt das Gesetz verschiedene Modi.
  • Portabilität. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wechseln den Arbeitgeber – sei innerhalb oder auch außerhalb des Konzerns. Inwieweit können erworbene Anwartschaften auf bAV den Mitarbeitenden mitgegeben werden? Und welche Anwartschaften ist das Unternehmen bereit,  für neu eingestellte Mitarbeitende von deren Vorarbeitgeber zu übernehmen? Diese Fragen sollten im Vorhinein beantwortet werden.
  • Zuschuss zur Entgeltumwandlung. Wie oben bereits erwähnt: Die Mitarbeitenden haben einen Anspruch auf Entgeltumwandlung zugunsten einer bAV. Der Arbeitgeber ist nicht nur verpflichtet, eine solche Entgeltumwandlung zu organisieren, sondern auch, diese im Umfang der ersparten Sozialabgaben zu bezuschussen. Soll diese Ersparnis individuell oder pauschalisiert ermittelt und mitgegeben werden? Der Spagat zwischen Kosteneinsparung und Verwaltungsaufwand ist geeignet aufzulösen.

Unaufhaltsamer Trend: Digitalisierung in der bAV

In Zeiten zunehmender Digitalisierung in allen Bereichen macht dieser Trend auch vor der bAV  nicht halt. Unternehmen wünschen möglichst eine digitale Anbindung an externe Dienstleister mit direkter Schnittstelle zu ihrer Payroll. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wünschen sich eine Online-Plattform bzw. App, in der sie alle nötigen Dokumente zur bAV und ihrer aktuellen Anwartschaft einsehen können. Idealerweise können die Mitarbeiterinnen in der digitalen Anwendung simulieren, welche Auswirkungen eine Erhöhung ihrer Entgeltumwandlung auf ihre späteren Versorgungsleistungen hat – und noch idealer ist es, wenn sie eine Erhöhung ihrer Entgeltumwandlung über das Tool dem Arbeitgeber unmittelbar mitteilen können. Diese kurzen Ausführungen zeigen bereits: Digitale Lösungen verringern den Verwaltungsaufwand auf Unternehmensseite und erhöhen die Akzeptanz der bAV auf Seiten der Mitarbeitenden.

Und was ist mit den Altlasten?

In vielen Unternehmen mit historischen, generösen Plänen drücken inzwischen die Kosten der bAV. Keine (ausreichende) Vorfinanzierung der bAV, Kosten für die Verwaltung und den  gesetzlichen Insolvenzschutz, steigende Pensionsrückstellungen aufgrund der Zinsschmelze,  aber auch die zunehmende Langlebigkeit der Rentner lassen Unternehmen nach Mitteln und  Wegen suchen, die Belastungen aus der bAV einzugrenzen. Die Ursache für die aktuellen Probleme besteht vor allem darin, dass die bAV in der Vergangenheit in vielen Unternehmen  nicht professionell gemanagt wurde. Sie wurde eingerichtet und erfuhr dann lange Zeit kein  besonderes Augenmerk. Weder wurden gezielt Finanzierungsmittel für die Erfüllung der Verpflichtungen angespart noch wurden die Verpflichtungen genau beobachtet. Inzwischen
hat sich die Sensibilität hier deutlich erhöht. Häufig wird bei Unternehmen mit hohen „Altlasten“ als erste und arbeitsrechtlich unkritische Lösung die bestehende Versorgungsordnung für Neueintritte ins Unternehmen geschlossen. Damit wächst zumindest der Kreis der Versorgungsanwärter im bestehenden Plan nicht weiter an.
In vielen Unternehmen werden jedoch auch für den Bestand Änderungen initiiert. Dies kann  zum Beispiel den Wechsel von einer unternehmensintern finanzierten Direktzusage in einen extern finanzierten Durchführungsweg oder das Reservieren externer Vermögensmittel zur Deckung der bAV-Verpflichtungen beinhalten. Diese Ansätze verringern die Bilanzbelastung durch Pensionsrückstellungen und sichern rechtzeitig die für die späteren Versorgungsleistungen benötigte Liquidität. Doch auch inhaltliche Anpassungen sind – unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit – möglich und werden regelmäßig vorgenommen. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, die bAV zu modernisieren, die mit der bAV verbundenen Risiken für das Unternehmen zu verringern und und die Bilanz zu entlasten.

Zusammenfassung

bAV wird als zweite Säule der Altersversorgung immer wichtiger: für Arbeitnehmer, um eine oft
schon bedrohliche Versorgungslücke zu reduzieren oder zu schließen; für Arbeitgeber, um sich im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und um im Punkt Altersversorgung einer gewissen gesellschaftspolitischen Verantwortung nachzukommen. Bei richtiger Ausgestaltung der bAV lassen sich Modelle kreieren, die für Unternehmen keine unkalkulierbaren Risiken oder unüberschaubare Aufwände bedeuten und gleichzeitig für Arbeitnehmer einen echten Mehrwert darstellen. Ein gutes bAV-Modell macht beiden Akteuren Spaß: dem Arbeitnehmenden und dem Arbeitgeber.

Die Autoren:
Susanne Jungblut ist Aktuarin (DAV) und IVS-geprüfte Sachverständige für Altersversorgung

 

 

 

 

 

Dr. Claudia Veh, Director KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ist Aktuarin (DAV), IVS-geprüfte Sachverständige für Altersversorgung und Rentenberaterin